Nanotechnologie gegen Ölverschmutzung

Das Jungunternehmen HeiQ hilft bei Ölkatastrophen. Mit einer speziellen Imprägnierungstechnologie bearbeitete Vliessmatten können riesige Mengen an Öl aufsaugen und so ganze Küstenabschnitte vor einer Kontamination schützen.

Noch kein Jahr ist es her, seit vor der Küste von Mexiko eine der schlimmsten Ölkatastrophen der Geschichte ihren Lauf nahm. Die Bohrinsel «Deepwater Horizon» ging in Flammen auf und hunderttausende Tonnen Rohöl wurden ins Meer gespült. Nebst verheerenden Schäden am Meeresgrund und den Gefahren für die marine Tierwelt wurden auch diverse Küstenabschnitte vom Ölteppich verseucht.

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Diese Tragödie bewog das Schweizer High-Tech-Unternehmen HeiQ Materials unter dem Namen Oilguard eine ölabsorbierende und gleichzeitig wasserabweisende Chemikalie zu entwickeln. Mit dieser Imprägnierungstechnologie behandelte Vliesstoffe sollen die von einer Katastrophe betroffenen Strände vor der Ölpest schützen. Die Zeit bei der Entwicklung drängte – denn das Ziel war, mit solchen Matten noch bei der Tragödie vor der Amerikanischen Küste helfen zu können. Nur ein Monat nach dem verheerenden Unglück hatte HeiQ in Zusammenarbeit mit zwei weiteren Unternehmen bereits einen Prototypen entwickelt. Wenig später wurde dessen Funktionsfähigkeit an einem Strand in den USA erfolgreich demonstriert. Im September 2010 wurde «Oilguard» durch die Amerikanische Umweltbehörde als umweltfreundlich eingestuft.

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Das Produkt basiert auf einer superhydrophoben Textiltechnologie, der genaue Herstellungsprozess bleibt allerdings Firmengeheimnis. Durch die Imprägnierung mit der Chemikalie kann der Stoff in kurzer Zeit grosse Mengen an Öl absorbieren. So kann das Vlies bis zum sechsfachen seines Eigengewichts an Öl aufnehmen und ermöglicht damit den präventiven Strand- und Küstenschutz bei Ölunfällen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Produkten wie Ölsperren oder Strandrechmaschinen soll eine Strandkontaminierung komplett verhindert werden. Zudem ist «Oilguard» grossflächig einsetzbar und kann bei Bedarf schnell installiert werden. Die fünfeinhalb Meter breiten und bis zu hundert Meter langen Vliesbahnen eignen sich zudem zur Reinigung bereits verschmutzter Strände. Entsorgt wird die mit Öl vollgesogene Matte anschliessend in einem Ofen für Zementherstellung.
Unternehmen mit Chancen

«HeiQ Materials» wurde im Jahr 2004 als ETH-Spin-off gegründet und hatte sich bisher vorwiegend in der Textilbranche einen Namen gemacht. Schon länger war bekannt, dass Silber der Vermehrung von Bakterien entgegenwirkt. Die Forscher von HeiQ fanden einen Weg, kleinste Silbermengen in eine amorphe Siliziumdioxid-Matrix einzubringen, so dass das Metall fein verteilt und hochwirksam ist. Die Silber-Nanopartikel geben laufend positiv geladene Ionen ab, wodurch eine antibakterielle Wirkung entsteht. Dieser Stoff mit dem Namen «Pure» findet hauptsächlich bei Sportbekleidung und Spitaltextilien Anwendung. Das Silbersubstrat fand schnell Abnehmer – in Europa, Australien, China und den USA. Ein weiteres Produkt vermarktet das Kleinunternehmen als «Barrier». Dabei handelt es sich um einen Wirkstoff, der bei Textiloberflächen vor dem Eindringen von Wasser, Blut, Öl und Fetten schützen kann. Nebst der Textilbranche finden diese Produkte des Jungunternehmens auch Anwendung bei Farben, Lacken und Kunststoffen.

«Innovation bedeutet für uns, menschliche Bedürfnisse mit neuen, besseren und nachhaltigeren Produkten zu erfüllen», sagt Firmengründer Carlo Centonze. Dafür lassen sich die Jungunternehmer nicht selten von der Natur inspirieren. So geschehen auch beim Schutzmechanismus von «Barrier». Dabei arbeitete die Firma mit dem sogenannten «Lotus-Effekt». Die Lotusblume besitzt kleine schmutzabweisende Noppen, dank derer sich die Pflanze selbstständig reinigen kann. Diese Technik nutzten die Forscher zudem bei der Entwicklung von «Oilguard».
Mehrfache Auszeichnungen

Der Firmenname HeiQ steht für High Quality, aber auch für IQ – als Anspielung auf die Herstellung von «intelligentem» Material. Dass die Qualität bei ihren Produkten denn auch wirklich hoch ist, zeigen die vielen Preise, welche die Jungunternehmer in ihren sechs Jahren des Bestehens bereits bekommen haben. So gewann HeiQ den Siska-Heuberger-Jungunternehmerpreis, den Venture Leaders Award der Gebert-Rüf-Stiftung, den Spezialpreis beim Venture-Wettbewerb 2006 sowie den De-Vigier-Förderpreis für Jungunternehmer. Zudem konnten sie im Jahr 2010 mit «Oilguard» den Swiss Technology Award in der Kategorie «Maturity Stage» gewinnen. Diese richtet sich an Unternehmen, die bereits Produkte auf dem Markt haben und gleichzeitig mit einer bahnbrechenden Innovation auf sich aufmerksam machen konnten.