Die Textilindustrie ist einer der ältesten Wirtschaftszweige: Schon seit Menschengedenken kleidet sich der Mensch zum Schutz gegen Witterungseinflüsse und als Symbol für den sozialen Status. Bei einer Ausstellung in St. Gallen können Besucher bis 2. April 2018 einen Blick in die Zukunft der Kleidung werfen. „Neue Stoffe – New Stuff“ widmet sich dem technischen Innovationspotential von Textilien und zeigt Materialien in ungewohnten Kontexten – etwa in der Medizin und Architektur.
Ausstellung macht Forschungsentwicklung sicht- und erlebbar
Die Ausstellung Neue Stoffe – New Stuff zeigt eine unbekannte Seite der Textilindustrie abseits von Mode im eigentlichen Sinne. Nichtsdestoweniger spielen die oft überraschenden Eigenschaften der neuen Stoffe eine wichtige Rolle in allen Bereichen des Alltags: Die Einsatzmöglichkeiten betreffen die Medizin, den Bausektor und die Konstruktion von Fahrzeugen bis hin zur Gewinnung und Einsparung von Energie. Viele von ihnen sind auf den ersten Blick gar nicht als faserbasierte Werkstoffe oder textile Strukturen zu erkennen, da sie das Produkt komplexer technischer Forschung und aufwendiger Herstellungsprozesse sind. „Sie sind im Vergleich zu anderen Materialien leicht fest, sehr flexibel und gut und vielseitig verwertbar“, konstatiert Michael Fehr, der Kurator der Ausstellung. Bei der richtigen Kombination von Material und Verarbeitungstechnik sei fast alles möglich. So sind im Textilmuseum etwa Befestigungsgurte der Schweizer Firma Cortex Hümbelin AG zu sehen, die statt aus Polyester aus Zylon gefertigt wurden. In Raumfähren eingesetzt, wiegen sie 25 Kilogramm weniger und verringern die Kosten der Flüge um 1,25 Millionen Dollar.
Einsatzmöglichkeiten der Stoffe
Die neuen Stoffe vereinen Qualitäten in sich, die heute gefragter sind als je zuvor. Denn in Zeiten immer knapper und teurer werdender natürlicher Ressourcen wird es immer wichtiger, den Materialeinsatz zu reduzieren. Haute Couture und funktionelle Aspekte beeinflussen sich heute gegenseitig, fremdartige Materialien und Techniken aus anderen Branchen inspirieren Modedesigner. So finden sich atmungsaktive, wind- und wasserdichte Stoffe wie Gore-Tex bei Jacken und Mänteln im Sortiment von Onlineshops genauso wieder wie in der Fahrradtechnik, Medizin und Musikinstrumenten. Bei Fahrrädern wird Gore-Tex bei der Herstellung wartungsarmer Bremsen eingesetzt, in der Herz- und Gefässchirurgie bei Prothesen, und bei Streichinstrumenten schützt es die Saiten vor Feuchtigkeit und Schmutz und macht sie länger haltbar.
Blick in die Zukunft: Smarte Kleidung
Im Zuge der Digitalisierung statten Ingenieure und Designer T-Shirts, Hosen und Jacken nun auch mit smarten Funktionen wie Beschleunigungssensoren, Pulsmessern und Mikrochips aus, die die Ausdauer steigern und Leiden lindern sollen. Start-ups und Mittelständler in Deutschland, Österreich und der Schweiz revolutionieren seit wenigen Jahren die Textilindustrie. Der Trend geht dabei zu Hightech-Funktionskleidung, die Komfort und Schutz zugleich bietet. So setzt etwa Bodo Lambertz, Gründer des Schweizer Unternehmens X-Technology mit Sitz in Wollerau bei Zürich, bei der Herstellung von Sportkleidung mit dem Label X-Bionic auf ein spezielles Garn. Die dadurch entstehenden, winzigen Lamellen in den Stoffen leiten überschüssigen Schweiss nach aussen und bilden eine dünne Isolierschicht, die Läufer und Radfahrer optimal vor Kälte schützt. In Tests stellten Forscher eine Leistungssteigerung bei Sportlern fest,;deren Regenerationsphase verkürzte sich um 20 Prozent. Bis sich jeder solche Produkte aus neuartigen Materialien leisten kann, wird es aber wohl noch dauern: Ein Herren-Lauf-T-Shirt von X-Bionic kostet rund 82 CHF.
Bildrechte: Flickr Colorfull Fabrics Thomas Euler CC BY-SA 2.0 Bestimmte Rechte vorbehalten