Mit Industriemüll Häuser isolieren

Das ETH-Spinoff FenX verwandelt Industrieabfall in einen porösen Schaum, der sich zur Gebäudeisolation eignet. Im Gegensatz zu anderen nachhaltigen Dämmstoffen ist dieser nicht brennbar und ausserdem günstig herzustellen.

Kaum hat einer die Idee geäussert, schon blasen die vier jungen Männer in ihrem Labor farbige Ballone auf und knüpfen sie an seidene Fäden. Ans andere Ende wickeln sie einen weissen Klotz, der die Form eines Schwammes und die Konsistenz von Kreide hat. «Leicht wie ein Meringue», sagt Etienne Jeoffroy und nimmt zum Beweis seine Hände vom Klotz, so dass die Ballone ihn tragen.

Der Klotz ist in Wahrheit ein Stück Isolationsmaterial, die vier Wissenschaftler sind die Gründer von FenX. Die Jungfirma hat einen Prozess entwickelt, um aus Industriemüll Isolationsmaterial herzustellen. Dieses ist nicht nur leicht, sondern wird auch nachhaltig hergestellt und ist nicht brennbar.

In einer Ecke ihres Labors an der ETH Hönggerberg steht ein grosser Küchenmixer. «Damit stellen wir das Material her», sagt Jeoffroy, der als CEO des Startups amtet. Nicht nur die dafür notwendigen Geräte, auch die Art und Weise der Herstellung ist relativ simpel: Der Industrieabfall wird mit Wasser sowie einigen Zusatzstoffen – der «Magie», wie Jeoffroy die Ergebnisse jahrelanger Forschung nennt – vermischt. Es entsteht ein poröser Schaum, der sich später zum dämmenden «Meringue» verfestigt.

Die vier Jungunternehmer kennen sich aus ihrer Zeit am Departement für Materialwissenschaften der ETH. (Bild: ETH Zürich / Andres Eberhardt)

Nachhaltig und günstig

Wer ein Haus baut, steht bei der Wahl der richtigen Isolation vor einem Dilemma: entweder er entscheidet sich für einen künstlichen Dämmstoff wie zum Beispiel Styropor oder Steinwolle. Diese sind zwar günstig und effizient, dafür aber wenig ökologisch. Oder aber die Wahl fällt auf natürliche Alternativen wie Holzfasern oder Flachs, was zwar nachhaltig, dafür aber teurer und manchmal auch weniger effizient ist. Kommt hinzu, dass manche der heute gängigen Dämmmaterialien leicht brennbar sind.

FenX hat sich daran gemacht, dieses Dilemma zu lösen. So sind die Schaumplatten der Jungfirma nicht brennbar, ihre Herstellung ausserdem äusserst nachhaltig: Einerseits ist diese energiesparend, weil anders als bei künstlichen Alternativen keine grosse Hitze notwendig ist, damit sich der Schaum verfestigt. Andererseits beruht der ganze Prozess auf Recycling – die in Wänden oder Dächern verbauten Isolationsplatten sind wiederverwendbar. Schliesslich verspricht Jeoffroy, dass das Material, wenn es dereinst auf den Markt kommt, nicht nur gut isoliert, sondern auch beim Preis konkurrenzfähig sein wird. «Industrieabfall ist als Rohstoff günstig bis gratis zu haben», erklärt er.

Welche Industrieabfälle wie zum dämmenden Schaum verarbeitet werden können, daran forschen die vier Materialwissenschaftler noch. Für erste Tests haben sie Flugasche verwendet. Doch soll auch anderer Müll, etwa aus der Bau-, Metall- oder Papierindustrie, verarbeitet werden können. «Wir experimentieren derzeit mit rund zehn verschiedenen Arten von Industrieabfall», sagt Jeoffroy. Die Idee ist, dass dereinst jeweils jener Rohstoff verarbeitet werden kann, welcher am Ort der Produktion zur Genüge vorkommt. So entstehen keine ökologisch und ökonomisch sinnlosen Transportkosten, und die Herstellung ist prinzipiell überall auf der Welt möglich.

Auf einen Partner angewiesen

Der neuartige Dämmstoff dürfte also der Bauwirtschaft, die vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens grüner werden muss, einige Vorteile bringen. Dennoch steht das ETH-Spin off noch vor einigen Herausforderungen. Vor allem muss es , seine Produktionskapazitäten massiv erhöhen, um auf dem Markt eine Rolle spielen zu können. Denn auch wenn die Produktionsweise des Materials einfach ist, genügt ein Küchenmixer im ETH-Labor nicht, um die riesigen Mengen herzustellen, welche im Bauwesen nachgefragt werden. «Die Produktion muss in einer Fabrik erfolgen, dafür brauchen wir einen Partner», ist sich Jeoffroy bewusst.

Die Chancen, dass sich ein solcher findet, stehen nicht schlecht. Das bisherige Interesse am Schaum aus der ETH sei gross, sagt er. So sei man bereits an diversen Pilotprojekten beteiligt. Das erst wenige Monate alte Startup ist, wenn es wachsen will, ausserdem auf zusätzliches Geld angewiesen. Bislang finanzieren sich die Jungunternehmer über Mittel aus dem ETH Pioneer Fellowship sowie nationale und europäische Zuschüsse. «Ziel ist, bis im April 2020 rund 1,5 Millionen Franken einzusammeln und ab 2021 mit den Schaumplatten auf dem Markt zu sein», gibt Jeoffroy den ehrgeizigen Fahrplan vor. Bis dahin wolle man auch personell wachsen – insbesondere ist Expertise in der Baubranche, in Marketing und Verkauf gefragt.

Die vier Jungunternehmer – neben dem Franzosen Etienne Jeoffroy sind dies der Tessiner Michele Zanini sowie die beiden Italiener Enrico Scoccimarro und Alessandro Dutto – kennen sich aus ihrer Zeit am Departement für Materialwissenschaften der ETH. Sie alle arbeiteten schon während ihres Studiums beziehungsweise Postdoktorats auf die eine oder andere Weise am Rezept für das neuartige Isolationsmaterial. Unterstützung erhielten sie dabei von ETH-Professor André Studart sowie Elena Tervoort – beide Mitgründer und Berater des Startups. Dass sie schliesslich eine Firma gründeten, sei einer gemeinsamen Überzeugung geschuldet, sagt Mitgründer Zanini: «Nur wenn wir das Produkt auf den Markt bringen, können wir massgeblich dazu beitragen, unseren CO2-Fussabdruck zu verringern.»

Temperatursensor für künstliche Haut

Die Fähigkeit, Temperaturänderungen wahrzunehmen, ist eine wichtige Funktion der menschlichen Haut. Forschende an der ETH Zürich haben jetzt einen hochempfindlichen und zugleich flexiblen Temperatursensor entwickelt, der demnächst in Prothesen und Roboterarmen Verwendung finden könnte.

Die biegsame transparente Sensorfolie kann die Temperatur der weißen Wärmeplatte messen. In Rot eine kleine Greifzange. (Bild: ETH Zürich / Raffaele Di Giacomo)

Klapperschlangen und Grubenottern sind bekannt dafür, dass sie ihre Beute auch in völliger Dunkelheit sicher orten können. Das hochsensible Grubenorgan zwischen Auge und Nase erlaubt es ihnen, den warmen Körper eines Säugetiers noch aus einem Meter Entfernung wahrzunehmen. Die genaue Funktionsweise dieser Temperatursensoren wurde erst vor wenigen Jahren entschlüsselt.

Wissenschaftlern um Chiara Daraio vom Department Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der ETH Zürich ist es nun gelungen, einen auf natürlichen Substanzen basierenden künstlichen Temperatursensor herzustellen, der ähnlich empfindlich ist und dank seiner Biegsamkeit und anderer nützlicher Eigenschaften schon bald als Bestandteil von künstlicher Haut in Prothesen oder Roboterarmen zum Einsatz kommen könnte.


Entdeckung durch «Cyber-Holz»

Seine Erfindung verdankt dieser Temperatursensor einem glücklichen Zufall. Raffaele Di Giacomo, der das Projekt im Labor der ETH-Professorin Daraio leitete, war im Rahmen seiner Forschung zunächst auf eine Besonderheit des pflanzlichen Materials Pektin gestossen. Aus dem Alltag ist Pektin eher als Geliermittel für Puddings oder Konfitüren bekannt, doch Di Giacomo interessierte sich für eine andere Eigenschaft dieser aus vielen aneinandergereihten Zuckermolekülen bestehenden Substanz.

Experimente an den Ästen von Bäumen, deren Zellwände Pektin enthalten, hatten nämlich ergeben, dass deren elektrische Leitfähigkeit stark von der Temperatur abhängt. Um den dafür verantwortlichen Mechanismus zu erforschen, stellten die Zürcher Forscher ein künstliches «Cyber-Holz» aus Pektin und Kohlenstoff-Nanoröhrchen her (siehe ETH-News vom 31.03.2015).

Durch Messungen des elektrischen Widerstands bei verschiedenen Temperaturen fanden sie schliesslich heraus, dass Kalziumionen, die an den Kontaktstellen zwischen zwei Zuckermolekülen des Pektins gefangen waren, für den Sensor-Mechanismus verantwortlich waren. Je höher die Temperatur, desto mehr freie Kalziumionen befanden sich im künstlichen Holz, und desto besser leitete es elektrischen Strom.

Mehr zum Artikel und der Innovation finden Sie auf der ETH Zürich News Homepage.

ETH setzt Akzente in der Schweizer Forschung

Die ETH Zürich ist bei vier neuen Nationalen Forschungsschwerpunkten (NFS) Leiterin oder Co-Leiterin. Insgesamt hat der Bundesrat acht Forschungsschwerpunkte an Schweizer Universitäten lanciert.

Digitale Architektur, biomedizinische Grundlagen, molekulare Ingenieurwissenschaft und mathematische Physik: Mit diesen Forschungsthemen hat sich die ETH Zürich bei der neusten Serie von Nationalen Forschungsschwerpunkten mit Erfolg durchgesetzt und ist an den Schwerpunkten in leitender oder co-leitender Funktion beteiligt.

Insgesamt haben die Schweizer Landesregierung und der Schweizerische Nationalfonds acht neue Forschungsschwerpunkte lanciert, für die der Bund jährlich rund 30 Millionen Schweizer Franken zur Verfügung stellen will. Dies hat Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), heute an einer Medienkonferenz bekannt gegeben.

Nationale Forschungsschwerpunkte sind als schweizweite Forschungsnetzwerke organisiert, wobei eine oder mehrere Hochschulen als sogenannte «Leading Houses» fungieren. Die NFS-Projekte zeichnen sich durch besondere wissenschaftliche Qualität und interdisziplinäre Ansätze aus und tragen dazu bei, die Schweizer Spitzenforschung und Innovation international zu positionieren.

Programme mit Potenzial
«Alle vier Programme, an denen die ETH Zürich nun beteiligt ist, haben das Potenzial, die Schweizer Forschungs- und Innovationslandschaft nachhaltig zu prägen», erklärt Ralph Eichler, Präsident der ETH Zürich. Auch Roland Siegwart, ETH-Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, ist erfreut: «Die Forschenden der ETH Zürich haben enorm viel Energie in ihre Anträge investiert und gingen mit Begeisterung ans Werk. Die aktuelle Ausschreibung war zudem so kompetitiv wie keine zuvor. Ihre Vorarbeit wurde nun honoriert.» Laut Siegwart zeigt die Erfahrung, dass Forschende ihre Visionen im Rahmen einer NFS-Förderung schneller und nachhaltiger umsetzen können.

Pionierrolle in der Digitale Fabrikation
Die ETH Zürich leistet seit einigen Jahren im Bereich der digitalen Fabrikation Pionierarbeit. Mit dem gleichnamigen NFS sollen nun auf dieser Grundlage neue Ansätze für die Forschungs- und Baupraxis entwickelt werden. Die Architekten erhalten für dieses anspruchsvolle Projekt 13,4 Millionen Bundesmittel, ergänzt um weitere 15 Millionen Eigenmittel der ETH Zürich. Insgesamt fliessen also in den nächsten vier Jahren rund 30 Millionen Schweizer Franken in den Forschungsschwerpunkt. Die Laufzeit bei allen NFS beträgt vier Jahre, kann aber zweimal um eine zweite und dritte Phase auf insgesamt zehn bis zwölf Jahre verlängert werden.

Allein an der ETH Zürich beteiligen sich an diesem NFS Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vier Departementen (Architektur, Informationstechnologie und Elektrotechnik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik, sowie Bau, Umwelt und Geomatik). Konkret sind bereits Massnahmen für die Umsetzung des NFS vorgesehen: Sobald das neuen Lehr- und Forschungsgebäude Arch_Tec_Lab auf dem Hönggerberg gebaut ist, wird der NFS «Digitale Fabrikation» dort seinen zentralen Standort haben. In der geplanten Multi-Robotik-Forschungsanlage können grossmassstäbliche Fabrikationsprozesse getestet werden. Das Team des NFS wird zudem gegen Ende der ersten Phase ein digital fabriziertes Wohnmodul im Gebäudelabor «Nest» der EMPA errichten. Dieses Labor macht Experimente am Bau möglich und der NFS möchte dort in Zukunft seine theoretischen Erkenntnisse praktisch erproben.

Molekulare Grundlagen der Gesundheit
Die Co-Leitung des Programms «RNA und Krankheit» teilen sich die die Universität Bern und die ETH Zürich. Die Erforschung von Ribonukleinsäuren (RNAs) ist in den letzten zehn Jahren in der biomedizinischen Wissenschaft immer wichtiger geworden. Die ETH Zürich baut sie nun passend zu ihren strategischen Initiativen «Technologie und Wissen für die Gesundheit» oder «Personalisierte Medizin» aus. Das interdisziplinäre Programm «RNA und Krankheit» macht es möglich, das Verständnis für die vielfältigen Funktionen der verschiedenen RNA-Arten zu vertiefen und wird eine Grundlage zur Erforschung komplexer Erkrankungen schaffen.

Schlüsselrolle für mathematische Physik
Die Forschung an der Schnittstelle zwischen Mathematik und theoretischer Physik ist eines der kreativsten Gebiete der beiden Disziplinen. Der Schwerpunkt «The Mathematics of Physics (SwissMAP)» will Forschung und Lehre in diesem Bereich stärken, in dem die Schweiz eine weltweit führende Schlüsselrolle einnimmt. Das Programm baut auf der gut etablierten Zusammenarbeit der ETH Zürich mit der Universität Genf auf, dem  Leading House für SwissMAP. Eine wichtige Stellung in SwissMAP nimmt das neue ETH-Institut für Theoretische Studien ein, das zusammen mit dem NFS eine wichtige Brückenfunktion zwischen Mathematik und Physik erfüllen kann.

Umfassende molekulare Ingenieurwissenschaft
Den Forschungsschwerpunkt «Molecular Systems Engineering» schliesslich leiten die Universität Basel und die ETH Zürich zu gleichen Teilen. Das Vorhaben besteht darin, aus molekularen biologischen und chemischen Komponenten komplexe, funktionale Systeme herzustellen und auf diese Weise die Systembiologie konsequent zu einer neuen, molekularen Ingenieurswissenschaft weiterzuentwickeln. Die Forschungskompetenzen der Universität Basel in Chemie, Physik und Biologe ergänzen dabei die Expertise in der synthetischen Biologie und Systembiologie des in Basel ansässigen Departements Biosysteme (D-BSSE) der ETH Zürich. Das Programm verfolgt zum einen das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen dem D-BSSE und speziell dem Departement Chemie der Universität Basel auszubauen. Zum andern will man in Basel ansässige Firmen einbeziehen, um damit den Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie fördern.