Gastbeitrag von Jan Fülscher lic.oec.publ., (Geschäftsführer von Business Angels Schweiz)
Um mit Ideen und Erfindungen Geld verdienen zu können, braucht es Fleiss, Geduld, Geld und Glück, denn der Weg von der ersten Skizze bis zum Produkt im Handel ist sehr lange. Stellt sich die Frage, ob es nicht Abkürzungen gibt bei diesem Weg? Möglicherweise können Business Angels dabei helfen?
Business Angels und ihr Geschäftsmodell
Als «Business Angels» bezeichnet man Personen, die als Unternehmer erfolgreich waren und sind, gut verdient haben und nun Jungunternehmer mit Rat und Tat unterstützen. Professionelle Business Angels sind aber, anders als man vielleicht meinen könnte, keine barmherzigen Samariter, die alles wegschenken. Vielleicht der grösste Unterschied zu anderen Investoren besteht darin, dass Business Angels zu einem Zeitpunkt in ein Projekt investieren, wo die noch recht unklar sind und wo sich der effektive Erfolg frühestens in einigen Jahren einstellen wird.
Business Angels sind und bleiben Unternehmer und sie wägen Aufwand, Risiken und die Ertragschancen sorgfältig ab. Die optimalen Ertragschancen für einen Business Angel bestehen darin, dass das Projekt oder Unternehmen sehr erfolgreich wird und der Business Angel ein Vielfaches seiner Investition zurück erhält. Denn wenn er zum Beispiel 20% des Jungunternehmens für 200‘000 Franken erworben hatte und dieses Jungunternehmen später für 10 Millionen Franken verkauft wird – also zum zehnfachen des ursprünglichen Werts von einer Million Franken –, so hat sich der Wert der Investition auch verzehnfacht. Allerdings hat dieses Geschäftsmodell, welches auf den ersten Blick sehr verlockend aussieht, einen grossen Haken: Dieser enorme Gewinn tritt nur ein, wenn jemand tatsächlich dem Investor seine Anteile zu einem solchen Preis abkauft. Und das ist beileibe nicht immer der Fall, sondern geschieht nur in durchschnittlich 10% der Fälle. Bei den übrigen 90% findet sich entweder gar kein Käufer oder der angebotene Preis ist bei weitem nicht so hoch wie erhofft.
Erfolgreiche Business Angels wägen also bei jedem Finanzierungprojekt folgende Faktoren ab: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei diesem Projekt später einmal ein Verkauf der Aktien möglich ist, der potentielle Verkaufspreis im Verhältnis zum Investitionsbetrag, die Möglichkeit, selbst zum Gelingen des Projektes beizutragen, das Zusammenpassen des Projektes mit dem Rest des Portfolios – und so weiter.
Innovatoren und Business Angels – eine «Win-Win-Situation»?
Grundsätzlich also haben Innovatoren und Business Angels die gleichen Ziele: Sie wünschen, dass das Unternehmen sehr erfolgreich wird. Bei der Umsetzung dieses Erfolgs aber scheiden sich die Geister: Sehr viele Innovatoren möchten ihre Gesellschaft aufbauen, mit ihr wachsen, während Business Angels in der Regel ihre Anteile nach einigen Jahren verkaufen wollen. Wo also anfänglich die Interessen übereinstimmen, so können sie im Erfolgsfall durchaus voneinander abweichen – eine heikle Situation. Mancher Investor sucht diese zu vermeiden, indem er seine Absichten sehr früh äussert und in den Verträgen festhält.
Innovationen durch Business Angels finanzieren lassen
Folgende Tipps sollen Ihnen dabei helfen, einen Business Angel für Ihr Projekt zu finden und diesen zu einer Investition zu bewegen.
1. Die meisten Personen, mit denen Sie reden werden, haben ganz viele Möglichkeiten, ihr Geld auszugeben und brauchen Sie nicht dafür. Es ist also an Ihnen, darzulegen, dass Sie ein tolles Angebot haben. Denken Sie sich in den Verhandlungspartner ein: Warum ist gerade Ihr Projekt es Wert, Zeit und Geld zu investieren?
2. Werden Sie sich darüber klar, was Sie genau benötigen. Eine Finanzierung? Für welchen Betrag? Oder suchen Sie jemanden, der Ihr Produkt herstellt? Jemanden, der bei Marketing und Verkauf hilft?
3. Überlegen Sie sich, was Sie für diese Hilfe zu geben bereit sind. Wenn Sie es nicht genau wissen oder nicht abschätzen können, dann bleiben Sie offen; Sie müssen aber möglicherweise einen grossen Teil Ihrer Rechte abgeben, wenn Sie viel Unterstützung brauchen.
4. Wenn Sie die obigen Punkte etwa abgesteckt haben, kann es nützlich sein, wenn Sie einen „reality check“ durchführen, also die ganze Sache mit einer unbeteiligten, aber sachverständigen Person besprechen. Solche Personen finden Sie mancherorts zum Beispiel über die Wirtschaftsförderung, über Gründerzentren, Technoparks, usw.
5. Sie benötigen wahrscheinlichen einen kleinen Businessplan. Wenn Sie diesen selbst schreiben können, um so besser; wenn Sie ihn schreiben lassen müssen, fragen Sie bei einer der Kontaktpersonen aus Punkt 4.
6. Geeignete Business Angels finden Sie häufig in Ihrem unmittelbarem Umfeld – Familie, Freunde, aber auch frühere Arbeitgeber, Kunden, Lieferanten, usw. Wenn die Suche hier erfolglos ist, können Sie immer noch versuchen, bei Business Angel Clubs Geld zu finden – es wird aber ungleich schwieriger sein, denn die Leute kennen Sie nicht.
7. Versuchen Sie, mindestens zwei potenzielle Geldgeber zu finden, damit Sie die Angebote vergleichen können und allenfalls auch mit beiden arbeiten können – dies verringert Ihre Abhängigkeiten von einer bestimmten Person und gibt Ihnen mehr Gestaltungs- und Verhandlungsspielraum.
8. Versuchen Sie, Ihr Angebot so zu gestalten, dass es gut zu den Interessen Ihres Gesprächspartners passt. Wenn es sich beispielsweise um einen Abnehmer Ihres Produktes handelt, so möchte er möglicherweise die Herstellung später selbst durchführen (Rückwärtsintegration). Wenn es sich um eine Person mit rein finanziellen Interessen handelt, so ist ihr Angebot am besten auch monetär gestaltet: Dividenden, Anteile am Erlös beim Verkauf der Gesellschaft, Umsatzanteile, …
9. Seien Sie sich vollständig im Klaren darüber, dass ihr Gesprächspartner vermutlich Dutzende von Angeboten auf dem Tisch hat. Er investiert seine Freizeit für Sie und er muss sich dafür entscheiden, sein Geld für einige Jahre, und vielleicht für immer, nicht mehr im Zugriff zu haben. Solche Entscheidungen brauchen Zeit. Manchmal mag es für Sie ein wenig demütigend sein, wenn Sie wieder und wieder anrufen müssen. Geben Sie nicht auf, bis Sie eine klare Antwort haben, aber lassen Sie ihm auch Zeit: Fragen Sie, wann Sie wieder anrufen dürfen, und halten Sie sich an die Abmachung – so zeigen Sie Ihre Verlässlichkeit.
10. Wenn Sie Ihr Projekt ohne externe Finanzierung durchführen können, so ist das ein guter Weg, auch wenn es ein wenig länger geht. Der Aufwand für die Beschaffung der Mittel wird sehr häufig unterschätzt und am Ende sind weitere Personen involviert, die mitreden wollen – nicht immer so, wie Sie es gerne hätten.
Gastautor Steckbrief:
Jan Fülscher lic. oec. publ.,
begleitet Jungunternehmen und Innovationsinteressierte mit Rat und Tat von der Idee über die Finanzierung bis in die Wachstumsphase. Er hat mehrere Firmen aufgebaut/mitaufgebaut und ist an einigen Startups beteiligt. Jan Fülscher leitet die Business Angels Schweiz, einen grossen Business Angel Club, und ist als Juror, Coach, Referent und Experte an Wettbewerben, Stiftungen und Ausbildungsorganisationen der Schweizer Startup-Szene tätig.