Die Erfindung von Benzin aus Wasser, CO2 und Sonnenlicht

Ein Forschungsteam der ETH Zürich, des PSI und des Caltech hat soeben gezeigt, dass es möglich ist, aus Wasser und Kohlendioxid solare Treibstoffe zu erzeugen. Dazu haben die Forscher einen neuartigen Reaktor entwickelt, in dem konzentrierte Sonnenstrahlung ein stabiles und schnelles thermochemisches Verfahren antreibt, welches auf effiziente Weise solaren Treibstoff hervorbringt. Damit schliesst sich die Lücke eines technisch machbaren CO2-Kreislaufs.

Weltweit stellen sich Wissenschaftler die Frage: Wie kann man die saubere und unerschöpfliche, aber ungleichmässig verteilte Sonnenenergie speichern, um diese von den sonnigsten Flecken der Erde in die industrialisierten Zentren zu transportieren, wo die meiste Energie benötigt wird? Diese Frage motiviert Forscher nach Rezepten zu suchen, wie Sonnenlicht in chemische Energieträger umgewandelt werden kann, und zwar in Form von flüssigen Treibstoffen, die über lange Zeit gespeichert und über weite Distanzen transportiert werden können − Treibstoffe notabene, die nicht nur Autos, Schiffe und Flugzeuge antreiben, sondern die gesamte nach Öl lechzende Weltwirtschaft nachhaltig versorgen

Erfindung Benzin

Einem Forschungsteam um Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger an der ETH Zürich und Leiter des Labors für Solartechnik am Paul Scherrer Institut (PSI), ist es nun gelungen, ein solches Rezept inklusive «Kochtopf» − sprich Solar-Reaktor − zu entwickeln. Mit einem radikal neuen Prozess wird Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2) umgewandelt in ein Gemisch von Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO), das als «Syngas» bezeichnet wird und eine Vorstufe von Benzin, Kerosin und anderen flüssigen Treibstoffen darstellt. Zusammen mit Kollegen des California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena, USA, haben die ETH- und PSI-Forscher den Solar-Reaktor entwickelt und die experimentellen Resultate in der aktuellen Ausgabe von «Science» veröffentlicht.

Die zugrundeliegende Idee besteht darin, Wasser und CO2 thermochemisch mit Hilfe eines zweistufigen Metalloxid-Redox-Kreisprozesses aufzuspalten. In einem ersten, energieintensiven Schritt wird Ceriumoxid mit Hilfe von konzentrierter Sonnenstrahlung bei einer Temperatur von 1500°C reduziert. Dabei gibt das Material Sauerstoffatome aus der Struktur ab. Im zweiten Schritt lässt man das reduzierte Ceriumoxid bei etwa 900°C mit Wasserdampf und CO2 reagieren; dabei werden die Wasser- und CO2-Moleküle aufgebrochen und die freiwerdenden Sauerstoffatome so in die Materialstruktur integriert, dass das Ceriumoxid wieder in der Ausgangsform ist und der Kreisprozess erneut gestartet werden kann. Übrig bleibt reines Syngas aus H2 und CO. «Es ist thermodynamisch gesehen attraktiv, den solarchemischen Prozess bei hohen Temperaturen zu betreiben und das gesamte Sonnenspektrum zu nutzen, um mit hohen Reaktionsgeschwindigkeiten und einem hohen Energieumwandlungswirkungsgrad solare Treibstoffe herzustellen», erklärt Steinfeld.
Effiziente Wärmeübertragung

Der neuartige Solar-Reaktor für diesen thermochemischen Kreisprozess ist in der oben stehenden Abbildung schematisch dargestellt. Die Reaktorkonfiguration besteht aus einem Hohlraum-Receiver, der einen porösen, monolithischen Ceriumoxid-Zylinder beinhaltet. Konzentrierte Sonnenstrahlung tritt durch eine mit einem durchsichtigen Quarzglas abgedichtete Blendenöffnung ein und wird vom Ceriumoxid innerhalb des Reaktors direkt und effizient absorbiert. Dieses Material wird unter Beigabe eines geeigneten Gases zyklisch erhitzt und gekühlt, was die Produktion des «Syngas‘» auslöst.

Die Forscher testeten am Hochfluss-Solarsimulator am PSI einen 2000-Watt-Reaktor-Prototyp. Dabei verwendeten sie eine Strahlungsintensität, die der Kraft von 1500 Sonnen entspricht. Der Umwandlungwirkungsgrad von Sonnenenergie in Treibstoff betrug dabei 0,8 Prozent. Dieser Wert ergibt sich aus dem Brennwert des produzierten Syngas, geteilt durch den Input an Strahlungsenergie.

Diese Wirkungsgrade sind um zwei Grössenordnungen höher als diejenigen, die man mit herkömmlichen photokatalytischen Methoden zur CO2-Spaltung erzielt hat, erklärt Steinfelds Doktorand Philipp Furler, der momentan an der Optimierung des Prozesses mit Hilfe numerischer Strömungsmechanik und Wärmeübertragungs-Simulationen arbeitet. Thermodynamische Analysen zeigen, dass Wirkungsgrade von bis zu 19 Prozent erreicht werden können.

Neben der Effizienz der Umwandlung ist auch die Stabilität des reaktiven Materials, also des Ceriumoxids, essenziell. Diesbezügliche Tests über 500 Zyklen der Wasserspaltung verliefen erfolgreich, so dass solarer Treibstoff ohne Unterbruch und mit konstanten Raten hergestellt werden konnte.

«Die Resultate, die wir in Science veröffentlichen konnten, zeigen die Machbarkeit von solarbetriebenen thermochemischen Verfahren zur Herstellung von Treibstoff aus Kohlendioxid und Wasser auf», betont Steinfeld. «Die Entwicklung eines einfachen und skalierbaren Solar-Reaktors sei hierfür unerlässlich».

Solar-Reaktor
Zurzeit sind Steinfeld und seine Gruppe daran, den Solar-Reaktor so zu optimieren, dass er auch in grossem Massstab − im Megawatt-Bereich − in Solarturm-Anlagen eingesetzt werden kann. Solche Anlagen sind bereits kommerziell zur Stromerzeugung im Einsatz. Steinfeld bleibt aber konservativ mit seiner Einschätzung, bis wann seine Solarreaktortechnologie in der Praxis in Betrieb genommen werden könnte: «Es sind noch grosse Anstrengungen nötig, doch 2020 sollten wir soweit sein, dass die erste industrielle Solartreibstoff-Anlage in Betrieb gehen und einen zentralen Beitrag zur nachhaltigen Energieerzeugung der Zukunft leisten kann».