ETH-Professor Hansjörg Grützmacher und seine Research Group haben zusammen mit italienischen Forschern eine neuartige metallorganische Brennstoffzelle entwickelt. Diese produziert neben elektrischer Energie auch Feinchemikalien aus erneuerbaren Rohstoffen – abfallfrei.
Hansjörg Grützmacher hält eine gut faustgrosse, rechteckige Apparatur aus transparentem Kunststoff in der Hand. An der Stirnseite sitzt eine rechteckige Vertiefung, auf der Oberseite ragen zwei Anschlüsse, der eine golden, der andere silbern, heraus. Zwei überdimensioniert wirkende Klammern halten die zwei Teile, aus denen die Apparatur besteht, zusammen. Was man diesem Gerät nicht ansieht: Es ist der Prototyp einer neuartigen so genannt metallorganischen Brennstoffzelle, welche Grützmachers Gruppe in Zusammenarbeit mit einem italienischen Forschungsteam entwickelt hat.
Diese Brennstoffzelle wird zwar nicht die Energieprobleme der Welt lösen, sagt der ETH-Professor, doch dass man damit aus nachwachsenden Rohstoffen abfallfrei Feinchemikalien herstellen kann, betrachte ich als enormen Fortschritt. Die neue Brennstoffzelle leistet tatsächlich Aussergewöhnliches. Mit ihr lassen sich einerseits abfallfrei Feinchemikalien herstellen, andererseits generiert sie auch CO2-freie, elektrische Energie. Ziel einer umweltfreundlichen Chemie müsse sein, dass bei der Produktion von Chemikalien weniger oder keine Abfallprodukte entstehen. Denn diese sind teils sehr giftig, die Entsorgung ist dementsprechend aufwändig und problematisch, findet Grützmacher.
Die neue metallorganische Brennstoffzelle arbeitet nach einem völlig anderen Prinzip als bisherige Typen. Sie basiert auf einem speziellen molekularen Komplex, der das Metall Rhodium enthält. Dieser Komplex ist molekular in das Anodenmaterial eingebettet. Die Anode einer Brennstoffzelle nimmt frei werdende Ladungen auf und leitet diese an die Kathode weiter, welche diese wieder abgibt. Dabei wird Strom erzeugt. Das Spezielle an der metallorganischen Brennstoffzelle ist, dass der molekulare Komplex in der Anode als Katalysator wirkt und seine Funktion auf einfache Weise optimiert werden kann. Das Trägermaterial der Anode ist Kohlenstoffpulver, auf welches der molekulare Komplex fein verteilt aufgebracht wurde.
Der aktive Katalysator bildet und verändert sich schrittweise während der chemischen Reaktion, die in der Brennstoffzelle abläuft. Dadurch entstehen aus dem Metallkomplex verschiedene Katalysatoren, die für die einzelnen Reaktionsschritte spezifisch sind. So wird ein Alkohol, wie Ethanol, in ein entsprechendes Aldehyd umgewandelt, im nächsten Schritt in die entsprechende Carbonsäure, wie etwa Essigsäure. Mit Hilfe dieses speziellen Katalysators können aber nicht nur Alkohole, sondern auch Zucker, wie Glucose, umgesetzt werden. Die Ausgangsstoffe, also die eingesetzten Alkohole, können Produkte natürlicher Vergärungen oder Beiprodukte aus der Biodiesel-Herstellung sein.
Dass solche Reaktionen möglich sind, war den Chemikern bereits bekannt. Grützmacher und seine Mitarbeiter mussten bei diesen Umsetzungen jedoch ein Opfermolekül verwenden, welches das bei der Reaktion formal entstehende Wasserstoff-Molekül aufnimmt. Die zündende Idee, dieses Problem zu umgehen, kam dem ETH-Professor und seinem italienischen Kollegen Claudio Bianchini beim Olivenpflücken in der Toscana: Statt des Opfermoleküls könnte eine Elektrode, die Anode, eingesetzt werden, um die Ladungen aus der Reaktion aufzunehmen und direkt in Strom umzuwandeln.
Hansjörg Grützmacher sieht für die metallorganische Brennstoffzelle grosses Potenzial. So konnte im experimentellen Rahmen beispielsweise aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnenes 1,2-Propandiol, ein Dialkohol, sehr selektiv zu Milchsäure umgewandelt werden. Milchsäure wird im grossen Stil industriell erzeugt, um daraus etwa bioabbaubare Polymere herzustellen. Nur: Bei den meisten Verfahren fällt bei jeder Tonne Milchsäure ungefähr eine Tonne Calciumsulphat an, das aufwändig entsorgt werden muss. Die neuartige Brennstoffzelle hingegen setzt die Ausgangsstoffe restlos um.
Grützmacher sieht aber auch andere Anwendungen. Miniaturisiert könnte die metallorganische Brennstoffzelle als Antrieb für Herzschrittmacher verwendet werden. Sie könnte zudem einen Beitrag leisten, den Metallbedarf von Katalysatoren zu senken. Für deren Bau werden oft seltene Erden oder Edelmetalle wie Platin verwendet. Dieses ist nicht nur teuer, sondern auch selten. Wenn es gelingt, einen Katalysator molekular aufzubauen, würde das die Materialeffizienz wesentlich verbessern, betont der Chemiker ETH Life. Ziel sei es, eine Brennstoffzelle zu entwickeln, deren Elektrode ohne Metalle oder zumindest nur mit erdhäufigen Metallen auskomme, sagt er. Kandidaten sind beispielsweise Mangan, Eisen oder Cobalt. In der metallorganischen Brennstoffzelle verwendeten die Forscher bis anhin Rhodium, ein Metall, das zwar oft in heutigen Katalysatoren eingesetzt wird, dessen Verfügbarkeit jedoch begrenzt ist.
Die metallorganische Brennstoffzelle hat allerdings auch Nachteile. Die chemischen Reaktionen laufen langsamer ab als in Lösung, da sie, bedingt durch den Aufbau einer Brennstoffzelle, nur an Oberflächen stattfinden. Die Herstellung grosser Feinchemikalien-Mengen wird deshalb länger dauern als auf herkömmliche Weise. Zudem funktioniert das System vorerst nur mit wässrigen Lösungen. Es ist jedoch vorstellbar, auch nicht-wässrige Lösungsmittel zu verwenden. Wir stehen allerdings erst ganz am Anfang und in näherer Zukunft müssen wir überhaupt erst einmal verstehen, wie sich eine Änderung der Prozessparameter auf die Effizienz allgemein auswirkt, sagt Grützmacher. Diverse Publikationen finden Sie hier zu dem Thema.