Bausinn-Zukunftsatelier

Am ersten Bausinn-Zukunftsatelier haben sich in der Thailodge im Elefantenpark des Zoo Zürich rund 40 Akteure über die Zukunft der Nachwuchsförderung in der Baubranche ausgetauscht. Ausser den VertreterInnen von 14 Bauverbänden nutzten auch Ausbildende, Unternehmer und Nachwuchstalente die Chance für den branchenübergreifenden Dialog. Der gemeinsame Tenor: Wir haben die gleichen Herausforderungen; gemeinsames Handeln könnte unsere Nachwuchswerbung wirksamer machen.

«Im Zoo Zürich bewerben sich rund 200 Jugendliche auf eine einzige Lehrstelle als Tierpfleger», machte Andreas Hohl, Stv. Direktor des Zoo Zürich, die rund 40 Anwesenden aus der Baubranche gleich zu Beginn seiner Begrüssung ein wenig neidisch. Obwohl etwa 70% der Tätigkeit eines Tierpflegers aus Reinigungs­arbeiten besteht und die Arbeit oftmals körperlich sehr anstrengend ist, lassen sich die jungen Leute nicht von einer Bewerbung abhalten.

Direkte Einblicke in das «Innenleben des Zoos» erhielten die Bausinn-Gäste auch von ihren Plätzen in der Thailodge aus. Die wie eine exotische Veranda gestaltete Lokalität im ersten Stock des  Hauses im Kaeng Krachan Elefantenpark erwies sich als ein ausgezeichneter Beobachtungsposten. Sozusagen elefantenhautnah erlebten die Bausinn-Gäste den Nachmittag des tierischen Nachwuchses. Der Ausblick auf das exotische Ambiente inspirierte auch Christoph Andenmatten, Präsident von bausinn.ch und Direktor von AM Suisse, in seiner Begrüssung: «Lassen wir uns gemeinsam von der Grösse der Elefanten zu grossem Denken anregen. Bei der Gründung im Jahr 2015 war bausinn.ch ein eher exotisches Gebilde in der heterogenen Bauwirtschaft. Inzwischen haben wir bereits einiges erreicht, aber es gibt noch viel zu tun.»



Jede Nachwuchswerbung für sich gut
Im ersten Teil des Bausinn-Zukunftsateliers stellten Akteure aus 8 Bauverbänden ihre Nachwuchsförderung vor. An innovativen Ideen und Projekten fehlt es nicht. So engagieren sich der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband und JardinSuisse beim Label Top-Ausbildungs­betrieb, das 2017 im Beisein von Bundesrat Schneider-Ammann als Innovation in der Berufsbildung mit dem «Enterprize» ausgezeichnet wurde. Metaltec Suisse hat speziell die Eltern, als stärkste Beinflusser bei der Berufswahl, im Visier und fokussiert bei der Nachwuchswerbung auf Internet, Social Media und Schnupperlehrboxen. 

suissetec, VSEI, Gebäudehülle Schweiz und der Schweizerische Gerüstbau-Unternemer-Verband SGUV setzen an Berufsmessen Virtual Reality bzw. Augmented Reality ein. Augmented Reality nutzt auch der Verein für Schweisstechnik SVS in seinem neuesten Projekt im E-Learning, das viel Material, Zeit und Kosten spart. Der Verband Schweizer Elektroinstallations-Firmen VSEI ist mit 4 Berufen digital wie real nah bei den Jugendlichen. Internet, Social Media, Videos – das alles ist in grossen Verbänden wie suissetec und VSEI, aber auch beim Plattenverband und bei Feusuisse selbstverständlich. Beim letzteren wurde das Feuer für die Nachwuchswerbung für den Kleinstberuf Ofenbauer erst vor kurzem frisch entfacht. suissetec führt dagegen bereits seit einigen Jahren eine umfassende Image- wie auch eine Rekrutierungs­kampagne. Alle Massnahmen führen zu den Berufen der Gebäudetechniker auf toplehrstellen.ch. Neben einem ganzen Strauss an Massnahmen werden auch TV-Spots zur Imagewerbung und witzige Videos mit einem Influencer als «Schauspieler» für die Rekrutierung geschaltet. Ausstellungen auf Rädern nutzen der VSEI wie JardinSuisse und machen damit gute Erfahrungen. Whatsapp-Gruppen helfen dem VSEI, die Zahl der rund 3‘000 Lehrverhältnisse in 4 Berufen stabil zu halten. Und doch – trotz aller technischen Innovationen und zeitgemässen Vorgehensweisen, so richtig zufrieden ist keine Baubranche mit den Resultaten in der Nachwuchswerbung. Und die alljährliche Nachricht «3‘000 offene Lehrstellen im Bau» sät Zweifel, ob die gegenwärtigen Massnahmen genügen.

Baunachwuchs besser erreichen
Das war auch das Thema des 2. Teils des Bausinn-Zukunftsateliers, der als World Café durchgeführt wurde. Die Gäste erforschten in 3 Fragerunden und in wechselnder Gruppenzusammensetzung, wie der Baunachwuchs gemeinsam noch besser erreicht und vor allem in der Branche behalten werden könnte. An 7 Tischen kamen die Teilnehmenden zu ähnlichen Ergebnissen: Alle Bauverbände wälzen ähnliche Problemstellungen beim Nachwuchs und unternehmen vergleichbare Aktivitäten auf hohem Niveau. Abhilfe versprechen die gemeinsame Sicht aufs Ganze und branchenübergreifende Projekte, die das Image der Baubranche stärken und Jugendlichen wie Eltern einen noch besseren Einblick in die Bauberufe verschaffen. In den Diskussionsrunden wurden zahlreiche mögliche Aktivitäten erörtert, die es wert sind, in den kommenden Monaten in der einen oder anderen Form weiterverfolgt zu werden. Dabei sollte sich nach Auffassung der Teilnehmenden die Baubranche nicht nur gegenüber der breiten Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber den eigenen Fachkräften noch besser präsentieren. Immer wieder genannt wurden zum Beispiel gemeinsame Einstiegswochen in die Baubranche mit Austausch­programmen in mehreren Bauberufen, vermehrte Teilzeitangebote für Berufsleute und ein wachsender Anteil an Frauen in den rund 50 Bauberufen.
 

Originalton am Bausinn-Zukunftsatelier

Mario Freda, Präsident des SMGV, ein Gründungsmitglied von bausinn.ch, zeigte sich hocherfreut über das Ergebnis der Veranstaltung: «Das Bausinn-Zukunftsatelier hat mir gezeigt, dass alle Baubranchen die gleichen Herausforderungen haben. Das machten auch die verschiedenen Referate deutlich: Wir alle versuchen mehr oder weniger auf dem gleichen Weg Einfluss zu nehmen, damit wir junge Leute für unsere Berufe interessieren können. Und da stellt sich für mich im Zusammenhang mit bausinn.ch die Frage, ob es nicht sinnvoller ist, die Kräfte noch vermehrt miteinander zu bündeln und gemeinsam die Problematik und die Herausforderungen anzunehmen und anzugehen.»

Christian Brogli, Leiter Kommunikation bei suissetec, dem Verband der Gebäudetechniker, hat in seinem Referat aufgezeigt, welche Chancen Virtual Reality, Videos, sowie Online-Kanäle und soziale Medien für die Rekrutierung des Nachwuchses bieten. Sein Fazit nach den 8 Referaten und 3 Fragerunden am World Café: «Ein wichtiger Punkt ist sicher, dass Lehrmeister zuerst in die Jugendlichen investieren müssen, sie fordern und fördern sollten. Man muss zuerst säen, bevor man ernten kann. Da sind die einzelnen Lehrbetriebe gefordert. Die vorbildlichen Unternehmen haben es einfacher, neue Lernende zu rekrutieren. In der Zukunft der Baubranche erkenne ich ein riesiges Potenzial, denn sie bietet zukunftsträchtige Jobs – gerade auch im Hinblick auf die Umsetzung der Energiestrategie 2050 und die Herausforderungen im Bereich Klimaschutz.»

Micha Lerch, Mitarbeiter von Vanoli AG, ist seit 12 Jahren im Strassenbau tätig. Nach der 3-jährigen Lehre EFZ hat er die Weiterbildung zum Vorarbeiter absolviert. Aktuell besucht er die Weiterbildung zum Polier. «Für die weitere Entwicklung der Baubranche wünsche ich mir, dass wir mehr Hand in Hand branchenübergreifend zusammenarbeiten, dass die Innovation, das Ganze einfach mehr gelebt wird von allen. Ich nehme vom heutigen Anlass für mich mit, dass wir im Punkt Entwicklungsförderung der Lernenden nicht alleine dastehen mit unseren Problemen. Ich würde sehr gerne bausinn.ch etwas mit auf den Weg geben, nämlich: Weiter so! Jemand muss den Anfang machen. Ich glaube, das ist ein guter Teil von etwas, das gross werden wird.»

Mona Neuenschwander, Malerin beim Farbwerk Herren: «Ich empfehle allen, den Beruf noch etwas stärker in der Öffentlichkeit vorzustellen, so dass die Jugendlichen wirklich verstehen, welche Aufgaben sie in der Lehre haben. Als Malerin zum Beispiel hat man neben den reinen Malerarbeiten Kundenkontakt und kann Empfehlungen aussprechen; man wird wahrgenommen als kompetente Person. Am Abend hat man ein superschönes Ergebnis, und die Kunden freuen sich.»

Patrik Ettlin, Leiter Marketing und Kommunikation beim Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM: «Die Teilnahme am Bausinn-Zukunftsatelier war für mich äusserst wertvoll. Ich war in dieser Zusammensetzung zum ersten Mal bei bausinn.ch dabei und habe das Gefühl, dass noch ganz viel bewegt werden kann, wenn man zusammen möglichst stark auftritt. Authentisch bleiben in den Berufen und von den Synergien in der Baubranche profitieren – das ist meine Empfehlung an bausinn.ch. Die Baubranche hat insbesondere deswegen zu wenige Lernende, weil es uns nicht gelungen ist, einerseits die Berufsbilder zu aktualisieren und zu modernisieren und andererseits die Attraktivität der Baustelle, der Werkstatt und des Bauwerks wie dem Haus oder der Strasse darzustellen. Ich denke, die Baubranche hat viele, viele Chancen, die sie nutzen muss. Es ist an der Zeit aufzuwachen. Wir müssen vorwärts machen und miteinander stark sein. Nur dann gelingt es uns, gegenüber der Akademisierung unsere Chancen zu wahren und uns darzustellen.»

bausinn.ch hat es sich zum Ziel gesetzt, das Image der Baubranche und die Wertschätzung für die Berufsleute zu verbessern. Seit 2015 führt bausinn.ch Veranstaltungen zur Zukunft der Baubranche durch und vernetzt branchenübergreifend, veranstaltet Mediengespräche mit Lernenden und Nachwuchskräften, lädt in Bahnhöfen Jugendliche und Familien zum Spielen mit überdimensionalen Bauklötzen ein und zeichnet vorbildliche Bauunternehmen mit dem Bausinn-Award aus; alles wird auf Social Media in Videos dokumentiert und einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Die Trägerorganisationen von bausinn.ch sind AM Suisse (Metaltec Suisse), Gebäudehülle Schweiz, der Schweizerische Gerüstbau-Unternehmer-Verband SGUV, der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband SMGV und der Schweizerische Verein für Schweisstechnik SVS.