VirtaMed AG – die Innovative Simulation für Knieoperationen

Knieoperationen gehören zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen. Mit dem vom ETH Spin-off VirtaMed AG entwickelten Simulator können Ärzte jetzt die komplexen Operationen üben.

Rund vier Millionen Arthroskopien werden weltweit jährlich durchgeführt, schätzt die amerikanische Orthopaedic Society. Bei Männern zwischen 15 und 64 sowie bei Frauen zwischen 45 und 64 gehören die Eingriffe zu den häufigsten Operationen überhaupt. Entsprechend häufig wird operiert, meist per Arthroskopie. Bei der minimalinvasiven Methode führt der Chirurg durch einen kleinen Kanal das benötigte Werkzeug ein. Er beobachtet seine Aktionen mit Hilfe einer winzigen Kamera, die durch einen zweiten Kanal in das Innere des Knies gelangt.

Zusammenspiel von physischem Modell und Software-Simulation.

Zusammenspiel von physischem Modell und Software-Simulation.

Eingriffe an Gelenken sind nicht risikolos. Eine Studie der deutschen Krankenversicherung KKH Allianz kommt zum Schluss, dass in einem Viertel der untersuchten Spitäler die Komplikationsrate bei Hüft- und Knieoperationen bei über fünf Prozent liegt. Eine wichtige Ursache, so die Studie, ist mangelnde Erfahrung des behandelnden Chirurgen. Spitäler mit höheren Fallzahlen erreichen deutlich bessere Ergebnisse als der Durchschnitt.

Gerade für Nachwuchschirurgen ist es allerdings schwierig, die nötige Erfahrung zu sammeln. Bisher liessen sich Knieoperationen realitätsnah nur an Leichen üben. Diese stehen aber nicht im erforderlichen Mass zur Verfügung. Deswegen bleibt oft nichts anderes übrig, als bei vermeintlich einfachen Fällen am realen Patienten zu üben. Dies setzt junge Ärzte unnötig unter Druck und erhöht das Risiko für den Patienten.

virtamed

Stefan Tuchschmid, CEO des mit dem KTI-Start-up-Label ausgezeichneten ETH-Spin-offs VirtaMed AG, hat sich vorgenommen, die unbefriedigende Situation zu lösen. «Wir haben schon bei der Firmengründung 2007 einen Simulator für Arthroskopien geplant», sagt der Jungunternehmer. 2009, nach der Entwicklung von zwei leichter zu konstruierenden Simulatoren für Gebärmutterspiegelungen und Prostata-Operationen, ging er das Thema an (siehe ETH Life). Mit dem Institut für Bildverarbeitung der ETH Zürich, dem Universitätsspital Balgrist und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur fand er die idealen Partner für ein KTI-Projekt.

In nur zwei Jahren entwickelte das sechsköpfige Projektteam einen funktionsfähigen Prototypen. Er verblüfft nicht nur Laien. Als die VirtaMed den Prototypen des Simulators im Juni am Kongress der Schweizer Gesellschaft für Orthopädie in St. Gallen vorstellte, waren einige Kongressteilnehmer kaum mehr vom Simulator wegzubringen.

Der Prototyp besteht neben der Virtual Reality Software aus einem handelsüblichen PC und der Nachbildung eines menschlichen Knies aus Kunststoff. In das Knie können Chirurgen wie bei realen Arthroskopien eine kleine Videokamera und verschiedene Instrumente einführen. Auf dem Bildschirm sieht der Arzt vermeintlich das Bild, welches die Kamera aufnimmt. Doch zu sehen ist nicht das Innere des Kunststoffknies, sondern ein durch die Software simuliertes Bild eines Knies.

«Die Simulation ist wesentlich realitätsnaher, als es die Aufnahme des Modells wäre», erklärt Stefan Tuchschmid. Alle Elemente des Gelenks, von Knochen und Knorpeln über die Bänder bis zum Meniskus, tauchen auf dem Bildschirm auf und verhalten sich wie in der Realität. Der dünne Meniskus etwa zittert leicht, wenn der Chirurg ihn mit einem Instrument berührt.

Zudem wird der Nutzen durch strukturierte Trainingsprogramme gesteigert, bei denen der Chirurg spezifische Aufgaben erledigen muss. Dabei können wie bei realen Operationen jederzeit Komplikationen auftreten. Die Software überwacht die Aktionen des Arztes und erstellt eine Auswertung seiner Fähigkeiten.

«Die grösste Herausforderung bei der Entwicklung war, den notwendigen Rechenaufwand für die Simulation in Echtzeit zu begrenzen», erklärt ETH-Dozent Matthias Harders vom Institut für Bildbearbeitung, der das Projekt von der wissenschaftlichen Seite geleitet hat. Deformationen von weichen Materialien sind immer schwierig zu simulieren, deswegen finden sie auch zum Beispiel in Computerspielen kaum statt. Hinzu kommt die Komplexität des menschlichen Knies.

Der grundsätzliche Trick, mit dem die ETH-Wissenschaftler die Herausforderung meisterten, besteht in der Konzentration aufs Wesentliche: «Unser Programm rechnet nur dort, wo es auf dem Bildschirm zu Veränderungen kommt», erläutert Harders. Nach Abschluss des Projekts steht nun noch die Industrialisierung an. 2012 wird VirtaMed den Kniesimulator auf den Markt bringen. Dieser ist entsprechend der Häufigkeit von Knieoperationen gross. Stefan Tuchschmid schätzt ihn auf mehr als 80 Millionen Franken.

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